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TitelJenseits von Medienvergleichen: Komplexe Zusammenhänge des Lernens in Virtual Reality am Beispiel des Anne Frank VR House
Publication TypeManuscript
Year of Publication2022
AuthorsMulders, M
Date Published10/2022
Library/ArchiveDuEPublico
Type of WorkDoctor thesis
Abstract

Hintergrund: Lernen in virtuellen Realitäten (VR) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dabei erscheint VR besonders für affektive Lehr- und Lernziele, wie die Perspektivenübernahme in Akteure der VR, förderlich zu sein. Bisherige Forschung legte oftmals den Fokus auf die Untersuchung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, welche die direkten Effekte von unterschiedlichen VR-Visualisierungstechnologien auf Lernresultate behandeln. Wenig Forschung erfolgte bislang zu komplexeren Konstellationen von lernrelevanten Variablen. Daher hat die vorliegende Arbeit zum Ziel, ein Forschungsdesign herauszuarbeiten, mit dem sowohl direkte Effekte von VR-Visualisierungstechnologien und didaktischen Methoden als auch mediierende Effekte durch latente in VR stattfindende Lernprozessvariablen und moderierende Effekte durch Kontextvariablen untersucht werden können. Dazu wird das Forschungsdesign im Rahmen der vorliegenden Untersuchung experimentell erprobt, indem hinsichtlich der intendierten Lehr- und Lernziele Head-Mounted-Display (HMD)-basierte VR Laptop-basierter VR gegenübergestellt wird, gleichzeitig die didaktischen Methoden der Exposition und der Exploration verglichen sowie die Einflüsse durch zugrundeliegende Lernprozesse (z.B. Erleben von Präsenz und Flow, kognitive Belastung) und Kontextfaktoren (z.B. fachliches Vorwissen) kontrolliert werden. Dabei soll auch die Förderlichkeit von VR hinsichtlich kognitiver (z.B. deklaratives Wissen), affektiver (d.h. Perspektivenübernahme) und evaluativer (z.B. Tendenz zur Weiterempfehlung) Indikatoren geprüft werden.

Methode: 132 Schülerinnen und Schüler der achten und neunten Klasse wurden rekrutiert. Die Probanden wurden den Experimentalbedingungen (HMD vs. Laptop und Exposition vs. Exploration) zugeordnet. Der VR-Inhalt behandelt die Erkundung des Verstecks von Anne Frank und sieben weiteren Untergetauchten zur Zeit des zweiten Weltkriegs in Amsterdam. Vor der VR-Erfahrung wurden die Probanden gebeten, ihren Wissensschatz sowie das Ausmaß an Perspektivenübernahme in Anne Frank einzuschätzen. Nach der VR-Erfahrung wurden in einem zweiten Fragebogen weitere Maße des Lernens auf affektiver und kognitiver Ebene, die subjektive Bewertung der VR, soziodemographische Daten, Lernprozessvariablen sowie relevante Kontextfaktoren erhoben. Die gesammelten Daten sind anhand ausgewählter inferenzstatistischer Verfahren (z.B. Mediationsanalysen) ausgewertet worden.

Ergebnisse: Ein signifikanter Haupteffekt für die Variable VR-Visualisierungstechnologie konnte gemittelt über alle Lernindikatoren aufgedeckt werden. Eine Überlegenheit HMD-basierter VR fand sich jedoch lediglich für zwei evaluative Indikatoren, einen kognitiven Lernindikator und wenn auch nicht statistisch signifikant für einen affektiven Lernindikator. Auch der Haupteffekt für die Variable didaktische Methode war gemittelt über alle Lernindikatoren signifikant. Hinsichtlich zwei kognitiver Lernindikatoren waren die Leistungen in den Expositions-Bedingungen signifikant besser als in den Explorations-Bedingungen. Die Wechselwirkung der Variablen didaktische Methode und VR-Visualisierungstechnologie war nicht signifikant. Bedeutender als die unidirektionalen Zusammenhänge sind die Mediations- und Moderationseffekte. Moderationseffekte (z.B. durch fachliches Vorwissen) konnten nicht gefunden werden bzw. waren uneindeutig. Mediationseffekte durch Lernprozessvariablen hingegen wurden vielfach entdeckt. So kann das Erleben von Flow und Präsenz sowie kognitiver Belastung innerhalb der VR-Umgebung bedeutsam die Wirkzusammenhänge zwischen VR-Visualisierungstechnologie und Parametern des Lernens erklären, auch wenn auch hier größtenteils nur Effekte für evaluative Indikatoren ermittelt werden konnten.

Schlussfolgerungen: Die vorliegende Arbeit konnte exemplarisch aufzeigen, dass die Untersuchung komplexer Interaktionsgefüge von VR-Visualisierungstechnologien, didaktischen Methoden, Lernprozessvariablen und Kontextfaktoren einen bedeutsamen Beitrag zum Verständnis von Lernen in VR-Umgebungen leisten kann. Vorteile HMD-basierter VR gegenüber Laptop-basierter VR hinsichtlich einiger Lernindikatoren wurden aufgedeckt. Es konnten jedoch nicht wie erwartet eindeutige Vorteile HMD-basierter VR für affektive Ziele ermittelt werden. Die signifikanten Befunde der Mediationsanalysen verweisen darauf, dass direkte Effekte von VR-Visualisierungstechnologien auf Parameter des Lernens bedeutsam durch diverse Lernprozessvariablen erklärt werden können und systematisch überschätzt werden, wenn solche Lernprozesse nicht berücksichtigt werden. Über die Ergebnisse der vorliegenden Einzelstudie hinaus, kann die Arbeit zur Erforschung der Bildungstechnologie VR beitragen, indem methodische und statistische Herangehens-weisen zur empirischen Untersuchung von Lernen in VR vorgeschlagen werden. Zukünftige Studien können das erarbeitete Forschungsdesigns adaptieren, so weitere Technologien, Didaktisierungen, Lernprozesse und Kontrollvariablen untersuchen und damit der Tradition klassischer Medienvergleichsstudien entgegenwirken.

DOI10.17185/duepublico/76929
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