Teilhabe an Bildung und Gesellschaft in Zeiten der Digitalität
Chair: Dr. Pia Sander
Diskutantinnen: Prof. Dr. Uta Hauck-Thum & Prof. Dr. Jana Heinz
Die Digitalisierung hat sich tief in sämtliche Funktionssysteme der Gesellschaft und Handlungspraktiken eingebettet und bewirkt somit umfassende gesellschaftliche Veränderungen in den Bereichen des täglichen Lebens, Lernens und Arbeiten (Kerres, 2020). Dieser (digitale) Transformationsprozess betrifft Menschen aller Altersgruppen und Lebensphasen - wir können ihm nicht mehr ausweichen, sondern müssen die Möglichkeit haben, an ihm teilzuhaben. Teilhabe an der (digitalen) Gesellschaft setzt die Befähigung zu einer informierten, aktiven und verantwortlichen Mitgestaltung der Welt voraus (Hafer, Mauch & Schumann, 2019). Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen hierfür betreffen Aspekte auf individueller und institutioneller Ebene. Individuen müssen über Kompetenzen und Fertigkeiten verfügen, die ihnen eine aktive gesellschaftliche und berufliche Teilhabe in einer von Digitalisierung geprägten Welt ermöglichen. Die Europäische Kommission (2006) spricht in diesem Zusammenhang von „21st-Century-Skills“, die beschreiben, was Lernenden Heute und in Zukunft können sollten (Voogt et al., 2013). Der Erwerb dieser (Digital-)Kompetenzen hängt in erheblichem Maße von sozialer Herkunft und den damit verbundenen Chancen und Hindernissen ab (Eickelmann et al., 2019). Eine bedeutsame Aufgabe wird demnach Bildungsinstitutionen entlang der gesamten Bildungskette zugeschrieben, „Menschen in allen Lebensphasen zu unterstützen und zu begleiten sowie unterschiedliche Lernsettings zu nutzen, um digitale Kompetenzen zu vermitteln“ (Wilmers et al., in Druck). Bildung wird somit zur grundlegenden Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und erfordert von Bildungsinstitutionen, Organisations- und Schulentwicklungsprozesse unter dieser Verantwortlichkeit zu betrachten.
Dieses Symposium untersucht Voraussetzungen von Teilhabe unter den Vorzeichen der Digitalisierung. Es widmet sich der Frage wie wirksame Bildungsprozessen zur Förderung von Teilhabe gestaltet werden können. Dabei beleuchtet es verschiedene Akteursebenen (Individuum und Institution) sowie Bildungsbereiche (Schule und Erwachsenen-/Weiterbildung. Das gemeinsame theoretisches Fundament bildet das Input-Prozess-Output-Model für Schulqualität (Eickelmann & Drossel, 2019), das von diversen Voraussetzungen (Input) und prozessorientierten Faktoren (Prozess) ausgeht, die den Output in Form von Kompetenzen der Lernenden (Kompetenzen) und deren gesellschaftliche Teilhabe sowie beruflichen Erfolg und Befähigung zum lebenslangen Lernen (Outcome) beeinflussen. Darüber hinaus teilen die Beiträge die Annahme, dass die Digitalisierung sowohl Treiber von gesellschaftlicher Veränderung ist als auch das Potenzial bietet, durch den Einsatz digitaler Medien und digitalsierungsbezogenen Entwicklungsprozessen Teilhabe an einer sich wandelnden Gesellschaft zu fördern.
Beitrag 1 präsentiert Ergebnisse einer Forschungssynthese zur Frage, wie das Prüfen von Informationen von Schüler:innen durch den Einsatz digitaler Medien gefördert werden kann. Die Ergebnisse des Critical Reviews zeigen erfolgreiche didaktische Umsetzungen auf, um die Informationskompetenz und somit die Möglichkeit zur Teilhabe in einer digital geprägten Gesellschaft von Schüler:innen zu fördern.
Beitrag 2 untersucht Schulen, die trotz einer besonders herausfordernder Schülerkomposition Schüler:innen mit unerwartet hohen digitalen Kompetenzen aufweisen. Die Autorinnen gehen der Frage nach, welche Voraussetzungen Schulträger an diesen organisational resilienten Schulen schaffen, um einen chancengerechten digitalisierungsbezogenen Schulentwicklungsprozessen zu ermöglichen. Die Ergebnisse der inhaltsanalytischen Analyse von fünf Interviews mit Vertreter:innen von Schulträgern zeigen, dass diese erheblich zur Chancengerechtigkeit auf allen Dimensionen der digitalisierungsbezogenen Schulentwicklung beitragen können.
Beitrag 3 stellt Ergebnisse einer Forschungssynthese vor, die die Voraussetzungen für die Teilnahme an Bildungsangeboten mit digitalen Medien durch benachteiligte Erwachsene herausarbeitet. Ein induktiv-thematisches Clustering führt zu drei Kategorien, die die Teilnahme an digitalisierungsbezogener Bildung benachteiligter Erwachsene beeinflussen können: Gestaltungsfaktoren, Faktoren aufseiten der Teilnehmenden sowie Ungleichheiten in Zugang und Nutzung.
Beitrag 4 adressiert den Einsatz von digitalen Medien in Grundbildungskursen und untersucht die institutionellen Voraussetzungen hierfür. Die Ergebnisse der Mixed-Method Studie mit Institutionsleitenden, konzeptionell Tätigen sowie Kursleitungen bieten Erkenntnisse über den Status und die Entwicklungspotenziale im Bereich IT-Infrastruktur/Ausstattung sowie Professionalisierung des Personals. Die Autorinnen diskutieren die Ergebnisse in Hinblick auf ihre Implikationen für gesellschaftliche Teilhabe.
Im Anschluss an das Symposium diskutieren Prof. Uta Hauck-Thum und Prof. Dr. Jana Heinz unter Einbezug der Teilnehmenden Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe in Zeiten der Digitalität aus einer übergeordneten und interdisziplinären Perspektive (vgl. Hauch-Thum, Heinz & Hoiß, 2023).
Literaturverzeichnis
Eickelmann, B., Bos, W., Gerick, J., Goldhammer, F., Schaumburg, H., Schwippert, K., Senkbeil, M. & Vahrenhold, J. (Hrsg.). (2019). ICILS 2018 #Deutschland. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im zweiten internationalen Vergleich und Kompetenzen im Bereich Computational Thinking. Waxmann Verlag.
Eickelmann, B. & Drossel, K. (2019). Digitalisierung im deutschen Bildungssystem im Kontext des Schulreformdiskurses. In N. Berkemeyer, W. Bos & B. Hermstein (Hrsg.), Schulreform – Zugänge, Gegenstände, Trends (S. 445–458). Beltz Verlag: Weinheim.
Europäische Kommission (2006): Key competencies for lifelong learning. Brüssel: Europäische Kommission.
Hafer, J., Mauch, M. & Schumann, M. (2019). Teilhabe in einer digitalisierten Bildungswelt. In J. Hafer, M. Mauch & M. Schumann (Hrsg.), Teilhabe in der digitalen Bildungswelt. (S. 9-13). Waxmann Verlag.
Hauck-Thum, U., Heinz, J., & Hoiß, C. (2023). Editorial: Gerecht, digital, nachhaltig!. MedienPädagogik 52 (gerecht - digital - nachhaltig): i–viii. https://doi.org/10.21240/mpaed/52/2023.02.19.X
Kerres, M. (2020). Bildung in der digitalen Welt: Über Wirkungsannahmen und die soziale Konstruktion des Digitalen. Zeitschrift MedienPädagogik 17 (Jahrbuch Medienpädagogik), 1–32. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb17/2020.04.24.X
Voogt, J., Erstad, O., Dede, C., & Mishra, P. (2013). Challenges to Learning and Schooling in the Digital Networked World of the 21st Century. Journal of computer assisted learning, 29, (5), S. 403–413. https://doi.org/10.1111/jcal.12029
Wilmers, A., Keller, C., Stöbe-Blossey, S., Achenbach, M. & Nieding, I. (in Druck). Digitalisierung und Teilhabe in der Bildung. Eine Absteckung des Themenfeldes und Erläuterung des methodischen Vorgehens in den Forschungssynthesen. In A. Wilmers, M. Achenbach & C. Keller (Hrsg.), Bildung im digitalen Wandel. Die Bedeutung digitaler Medien für soziales Lernen und Teilhabe (Digitalisierung im Bildungsbereich. Forschungsstand und -perspektiven, Bd. 4), Münster: Waxmann Verlag.